Frauen

Kaum etwas anderes durchzieht die Skizzenbücher wie das komplexe Gebilde von ‚die Frau und der Mann‘. Zwischen Fiktion und realer Begebenheit werden alle Register gezogen: Im Textlichen wie im Bildlichen. Die Auseinandersetzung mit Frauen scheint Steins Schreiben und Kunst wesentlich voranzutreiben. Dabei ist es nicht immer leicht zu unterscheiden, welche Begebenheiten seiner Phantasie geschuldet sind und welche Begegnungen Erinnerungen darstellen.

Immer wieder begegnet die Figur der Großmutter. In den Erinnerungen an seine „Oma“ schaut er fast liebevoll und mit kindlichem Blick zurück und verfasst erzählerisch anmutende Texte wie beispielweise die an mehreren Stellen ausgeschmückte Legende von seiner Großmutter und sagenumwobenen Figur des räuberischen Schinderhannes:

 

„Als die Oma noch in den Schinderhannes verliebt war – jedenfalls erzählte sie mir immer, wie verliebt sie in ihn gewesen ist – und ich habe ihr natürlich alles geglaubt. Ich saß in ihrer Küche am Tisch, einen Teller Haferflocken-Suppe vor mir. Die Oma hatte sie gekocht, wie immer mit einer Prise Salz drin: Nur die Oma machte sie so, was mir dermaßen schmeckte, daß ich es immer so haben wollte.

 

[…] ich sagte, daß ich später mal nur eine Frau haben wollte, die entweder die Haferflocken-Suppe so kocht wie sie oder lieber gar keine Frau. Die Oma sagte, es gäben [sic!] später noch ein paar Dinge, die wichtig würden.“

(B 42: 9930)

 

Mit seiner Mutter verband Paul Stein hingegen ein angespanntes Verhältnis. In verschiedenen Episoden wird eine Mutter-Sohn-Beziehung geschildert, die vor allem durch die Schlagworte „Hassliebe“ und „Schuldgefühl“ charakterisiert werden kann.

Eine zentrale Figur in Paul Steins Skizzenbüchern ist seine Lebensgefährtin. Oft wird ihr Name mit „M.“ abgekürzt. Die Verwendung der Initiale kann als Strategie verstanden werden, eine beobachtende Position einzunehmen, aber auch die Partnerin vor sezierenden Kommentaren nicht zu schonen.

 

Ebenso widersprüchlich wie die schriftlichen Äußerungen ist das breite Spektrum bildlicher Darstellung. Kunsthistorisch betrachtet ist die Figur der Muse, die Frau als Inspirationsquelle für den männlichen Maler, von zentraler Bedeutung. Diese traditionelle Geschlechter-Inszenierung bietet für Paul Steins Bilder jedoch keine hinreichende Erklärung. Eher verweisen die Bilder auf einen improvisierten männlichen Blick, der nur vorübergehend bis zum Umschlagen der Seite existiert und dann künstlerisch wieder neu erprobt wird. Wie auch bei den Texten reicht das Spektrum vom voyeuristischen Blick auf den weiblichen Körper bis zur phallischen Selbstumkreisung, von humorvoller Groteske bis zu düsterer Gedankenverbildlichung.

 

 

PAUL STEIN

Redaktion: Dr. Kirsten Prinz

Gestaltung: Harald Schätzlein I ultraviolett.de